Der Stadtrock von Stokx

Der Stadtrock von Stokx

3. November 2021 8 Von FrauSonnenburg

Eigentlich müsste der Untertitel zu diesem Post lauten „Warum manche Liebe reifen muss.“ Beim Stadtrock von Stokx ist das so gewesen, und warum das so war, das erzähle ich euch hier.

Ich schätze die Schnittmuster von Lindy Stokes aka Stokx wirklich sehr. Mit jedem der Schnitte, die ich bisher genäht habe, war ich sehr zufrieden. Viele davon – allen voran der heiß geliebte Stadtmantel – sind gern getragene Lieblinge in meinem Kleiderschrank.

Warum das so ist? Für mich haben alle Modelle eine schmeichelnde Schnittführung und stehen jeder Figur – das muss ein Schnitt erst einmal können. Sie sind ausgefallen, aber nicht exzentrisch: das bedeutet, mit Modellen nach den Schnitten ist man sehr gut und etwas „anders“ gekleidet, aber kein Paradiesvogel. Und nicht zuletzt: Sie lassen sich prima nacharbeiten, und meist lernt man sogar noch einen Kniff oder eine Technik, die man vorher noch nicht kannte.

Daher war ich sofort Feuer und Flamme, als ich bei MariaBarbara vom neuen Schnitt erfuhr: Dem Stadtrock.

Der cleane Schnitt – ein Wickelrock, der eigentlich gar keiner ist – das gefiel mir kolossal.

Stadtrock - Modellzeichnung
Quelle: StoksPatterns

Alles hat seinen Preis – auch der Stadtrock

Beim Preis – 20,00 EUR für den digitalen Schnitt, den man noch drucken und kleben oder plotten lassen muss – musste ich dann allerdings schlucken. Ich habe im letzten Jahr einige Schnitte von Indie-Labeln gekauft, die allesamt im Bereich von 12 – 15 EUR (plus Plot) lagen. Für einen Schnitt, den man vielleicht nur einmal näht, finde ich das eine Menge Geld.

Andererseits – Stokx hat bei mir einen gewissen Ruf (nämlich den, super Schnitte zu machen). Und die Designer sollen von ihrer guten Arbeit auch gut leben können, oder zumindest eine faire Entlohnung für die Entwürfe bekommen. MariaBarbara hat den Gedanken in ihrem Post zum Stadtrock schon aufgegriffen. Und nachdem ich mich manchmal auch über sehr niedrige Preise für Schnittmuster wundere, stellt sich vielleicht wirklich einmal die Frage: „Was ist ein angemessen fairer Preis für eine Anleitung?“ Dass „angemessen“ hier auch ein gesundes Verhältnis zwischen Preis und Qualität der Anleitung beinhaltet, sollte dabei allerdings klar sein. Schlecht gemachte Schnittmuster sind mir auch schon begegnet, und da war ich dann über einen kleinen Preis ganz froh.

Jedenfalls wollte ich den Stadtrock unbedingt haben. Keine Frage. Allerdings lag der Plot denn von Juni 2020 bis vor kurzem auf dem Haufen künftiger Projekte.

Es geht los: Stoff und Zuschnitt

Als Stoff hatte ich von vornherein ein „Stiefkind“ in der Stoffkiste im Auge: Einen grauen Viskose-Baumwollstoff mit Elasthananteil, vor Jahren einmal gekauft, um eine Hose zu werden. Etwas schwerer im Fall, meiner Meinung nach dennoch leicht genug, um einen feinen Stadtrock abzugeben.

Meine Nähfreundin SabineSelbstgemacht, die in diesem Jahr auch einen Stadtrock genäht hat, wollte mich zunächst von der Materialwahl abbringen. Die Alternative – ein Tencel – erschien mir allerdings für einen Rock zu „fipsig“. Nach mehreren Monaten Bedenkzeit dann wurde der Viskosestoff dann wieder hervorgekramt und endlich zugeschnitten.

Viele Teile gibt es nicht: ein Vorderteil im Bruch, zwei Bindebänder, einen dreigeteilten Beleg für die Vorderseite, optional Taschenbeutel, und ein zweigeteiltes Rückenteil. Hier fragte ich mich , warum ein Rückteil mit gerader Naht geteilt zugeschnitten werden soll. Die angegebene Stoffmenge reicht locker für ein im Bruch zugeschnittenes, und auch beim späteren Nähen kam mir nicht die Erleuchtung für zwei getrennte Schnittteile.

Wenn Nähen zum Denksport wird

Wie gesagt – ich schätze die Anleitungen von Stokx sehr. Mit keiner hatte ich bisher Probleme. Selbst wenn die englischsprachige Anleitung nicht gleich schlüssig ist, helfen immer die wirklich guten Grafiken weiter.

Leider war das beim Stadtrock anders. Lassen wir mal weg, dass ich rechts und links gern vertausche und mich immer scharf konzentrieren muss, dabei nicht in den Tüdel zu kommen. Manche Schritte waren für mich allerdings nicht verständlich, so wie sie in der Anleitung beschrieben waren. Beispiele gefällig?

Der Beleg für den vorderen Rock ist perfekt konstruiert – wird aber z. B. nur an die obere Rockkante genäht, nach innen geklappt und noch einmal entlang der Oberkante angesteppt. Der Rest des – sehr breiten – Belegs schlabbert dann im Inneren einfach so rum und darf nach Lust und Laune Falten schlagen? Bei einem Schnitt dieser Preisklasse und von einer gelernten Schneiderin hätte ich mir eine anspruchsvollere Verarbeitung erwartet. Wie auch Sabine, habe ich den Beleg ganz zum Schluss mit Handstichen innen an den Abnähern befestigt. Das hält nun gut und trägt nicht auf.

Natürlich hat mein Rock eine Tasche (ich brauche immer etwas, um mindestens eine Hand unterzubringen, oder die Codekarte fürs Büro, oder einen Schlüssel oder…). Eine mit verdecktem Reißverschluss, wie original vorgesehen, wollte ich aber nicht. Zum einen hatte ich keinen passenden Reißverschluss zur Hand und scheute den Aufwand (und die mögliche Niederlage). Zum anderen kenne ich mich – der Reißverschluss wäre ohnehin nur Zierrat: Eine Tasche muss zugriffsbereit sein. Er würde also immer offen stehen – dann kann man ihn auch gleich weglassen.

Stadtrock - Stokx - Tasche

Diese Variante – eine einfache Nahttasche ohne Reißverschluss – sieht die Anleitung nicht vor. Nun ist es nicht wirklich schwierig, eine Nahttasche zu nähen. Allerdings wäre es schon gut, wenn bei dem Schnitt-pdf gut zu sehen wäre, welches Schnittteil vorn und welches hinten ist. Gerade bei den kleineren Schnittteilen sind die Layer der einzelnen Größen so dicht übereinander, dass sich die Beschriftungen gegenseitig überdecken – dann muss man leider raten. Das ist nun kein spezielles Problem von Stokx, ich finde es aber genrell ärgerlich.

Ach, und überhaupt: diese grau unterlegten Planquadrate tragen leider nicht bei zur Übersichtlichkeit. Und sie verteuern den Plot deutlich. Was soll denn das?

Quelle: Schnitt Stadtrock

Am Übelsten war allerdings die Feststellung, dass auf meinem Schnitt die Markierungen für die Bindebänder fehlten. Ein direkter Vergleich mit dem Schnitt von Sabine (gekauft ca 1 Jahr nach mir) zeigte: Offenbar gab es ein Schnittmusterupdate: auf ihrem Plot sind die Markierungen vorhanden. Glück im Unglück: Ich konnte mir die Markierung von ihr kopieren. Dennoch finde ich es wirklich sehr sehr ärgerlich – wie kann es denn sein, dass so etwas wichtiges fehlt und dann heimlich nachgetragen wird?

Wie es dann doch noch zur großen Liebe kam

Nachdem schließlich alle Unwägbarkeiten behoben waren – Nahttasche eingenäht, Beleg gebändigt, Markierung aufgespürt – war der Rock dann doch recht flott fertig. Bis auf den Saum habe ich ihn an einem Nachmittag genäht.

Mein Stoff war übrigens ein Traum unter der Nadel. Franste nicht aus, und ließ sich trotz Elasthan ganz zickenfrei vernähen. So gefällt mir das!

Besonders stolz bin ich übrigens auf das fast perfekte Durchzugloch fürs Bindeband:

Stadtrock - Stokx - Bindeband

Und dann: Der aufregende Moment der ersten Anprobe. Und das erhoffte Wow-Erlebnis stellte sich ein.

Wenn man in den Rock einsteigt und dann an den beiden Bindebändern zieht, legt sich die Mehrweite des Rückteils zu einer Falte. Diese bildet quasi eine ganz große Gehfalte. Damit liegt der Rock körpernah an, hat aber eine umwerfende Saumweite. Und damit ist er zum einen sehr elegant, zum anderen wahnsinnig bequem!

Stadtrock - Stokx - Tragefoto 2

Sind die Bänder einmal zum Gürtel geschnürt, sitzt und bleibt der Rock Ort und Stelle. Kein Gezuppel und Geziehe – Ein weiterer Pluspunkt.

(M)Ein Problem beim Stadtrock

Ein kleines Problem allerdings hat sich doch eingeschlichen, und ich bin mir nicht sicher, was dafür die Ursache ist. Der obere Teil der Rückenfalte klappt immer um nach außen.

Stadtrock - Stokx - hinten

Vom unteren Foto her könnte man meinen, dass das Bindeband zu niedrig angesetzt ist. Auch, weil es ziemlich steil nach oben gezogen werden muss, um in der Taille über der Tasche entlang zu laufen. Auf der Puppe tritt der Effekt deutlicher zutage als an mir.

Der Herzensmann meint ganz trocken: Druckknopf dran, fertig. Allerdings würde dann das Bindeband immer noch so unschön laufen. Daher ist meine Überlegung, es einfach noch einmal abzutrennen und ein paar Zentimeter weiter oben anzusetzen, damit der schlabberige Bund nicht mehr schlabbern kann. Meint ihr, das würde funktionieren?

Unter Umständen würde ich auch noch eine Gürtelschlaufe springen lassen, um das Band an die gewünschte Stelle zu führen.

Stadtrock - Stokx - Tragefoto 3

Unterm Blazer verschwindet das Problem allerdings vorläufig. Hier trage ich zum Stadtrock „Wardrobe Basic“ aus Ottobre 05/13, den ich 2015 aus weißem Sweat genäht habe und immer noch gern trage. Wunderbarerweise ist noch kein Fleckendrama passiert in all den Jahren 🙂 Aber auch die rote Schnieke Wiebke wird sich zum Rock gut machen.

Der allergrößte Pluspunkt am Rock ist aber wirklich der Tragekomfort. Er ist wirklich sowas von bequem! Und mein Stoff, das ungeliebte Stiefkind, erwies sich im Nachhinein als genau richtige Wahl. Zwar ist kein elastischer Stoff notwendig, aber der Elasthananteil stört auch nicht. Das mausgrau lässt sich mit rot, weiß, schwarz, pink gut kombinieren, und vor allem: Der Stoff knittert kaum. Ende Oktober hatte ich ihn einen ganzen Tag bei einem Geburtstagsbrunch-Fressgelage an (da war das Elasthan vielleicht sogar förderlich), und obwohl ich einen ganzen Tag drauf gesessen habe, war der Rock noch 1A in Schuss. Und bei Bedarf lässt sich das Stöffchen auch ganz artig mit Dampf bügen.

Ich würde sagen: alles richtig gemacht!

Verlinkt zum MeMadeMittwoch, wo es hoffentlich wieder viel Inspiration für die Herbstgarderobe gibt!

Auch verlinkt zu Lieblingsstücke – Du für Dich am Donnerstag  – Creative Lovers