
Im Interview: Katja von Wilde Käthe
In meinem letzten Post zur Wolldiät habe ich euch eine Überraschung versprochen – hier kommt sie: Ich habe Katja vom Label Wilde Käthe zum Interview eingeladen. Katja entwirft, fertigt und verkauft wilde Designs (fast) ausschließlich aus adoptierter Wolle.
Der Kontakt zu Katja entstand über eine Berliner Strickfreundin, die eine „Annahmestelle“ für überschüssiges Garn suchte und schließlich fand. Ich habe Katja schon ein großes Paket mit Garn geschickt – dieses wird ein zweites Leben als Häkelkörbchen bekommen. Die Idee hinter Katjas Business und auch ihre bunten Häkeldesigns finde ich so prima, dass ich Katja von Wilde Käthe zum Bloginterview eingeladen habe.

Nun lest selbst, was Wilde Käthe zu berichten hat:
Wie bist Du zum Handarbeiten gekommen? Früher lernte man das in der Schule, allerdings ist das heute leider aus der Mode gekommen. Und erinnerst Du Dich noch an Dein erstes Werk?
Es war tatsächlich der klassische Schul-Topflappen, der mich zum Handarbeiten gebracht hat. In der kleinen, behüteten Dorf-Grundschule drückte meine Lehrerin mir eine Häkelnadel und etwas Wolle in die Hand. Seitdem habe ich beides nicht wieder losgelassen. Von da an hatten meine Barbies die frechsten Outfits der Stadt und die Frühstückseier der Familie die verrücktesten Hauben. Im Alter von acht Jahren lernte ich noch das Stricken und Nähen. Danach mussten nicht mehr nur die Puppen dran glauben, sondern auch die ganze Familie – übrigens mit Sicherheit ein Traum für den benachbarten Dorf-Wollladen. Hier ließ ich mein ganzes Taschengeld.
Als ich älter wurde – ungefähr im Alter von 14 Jahren – begann ich das erlernte Wissen aus dem Wahlpflichtkurs Textil in ein Business umzuwandeln. Auf dem Schulhof verkaufte ich genähte Taschen. Leider nahm diese Karriere ein abruptes Ende, als meine Textil-Lehrerin mich bat, das Geschäft einzustellen, da nun niemand mehr auseinanderhalten konnte, ob die anderen Schüler*innen ihre Hausaufgaben selbst genäht oder bei mir eingekauft hatten.
Für mein jüngeres Ich hätte ich mir aus heutiger Perspektive gewünscht, dass meine Lehrer*innen meine Motivation gewürdigt und gefördert hätten. So habe ich dann erst mal ein paar Umwege im Leben genommen bis ich dann bei Wilde Käthe gelandet bin.

Wie kamst Du auf die Idee für die „Wilde Käthe“? Erzähl uns ein bisschen über die Idee hinter Deinem Konzept und warum Du ausschließlich „gerettete“ Wolle aus zweiter Hand oder Naturfasern verwendest.
Lange Zeit habe ich für Familie und Freunde gehäkelt und gestrickt, meine Wohnung und alle anderen Wohnungen dekoriert und geschmückt. Anfang 2019 kam dann aber der Wunsch, den ich damals auf dem Schulhof begraben hatte, wieder auf. Allerdings konnte ich mich nicht damit anfreunden, in einer überfüllten Welt noch mehr zu konsumieren, zu kaufen und zu produzieren. Gleichzeitig wollte ich die Welt aber so gern mitgestalten und vor allem Konsumalternativen anbieten. Wir alle möchten uns doch schmücken, unser Leben bunter und individueller gestalten.
Ich hatte selbst noch einen großen Wollvorrat, den ich erstmal aufbrauchen wollte. Nach einiger Zeit musste ich aber nach Alternativen suchen. Wo konnte ich schönes Material herbekommen ohne dabei neue Produktion anzukurbeln? Ich musste nicht lange suchen. Auf Ebay Kleinanzeigen tummelten sich die Waisen missglückter Strickprojekte, beim Textilhafen der Berliner Stadtmission häuften sich die neon-pinken Schals, die (zu recht) kein Obdachloser je tragen möchte und in den Kellern der Einzelhändler verstaubt auch oft das letzte unverkaufte Knäuel.
Seitdem laufen die Designprozesse anders bei Wilde Käthe: Ich überlege nicht, was ich designen und herstellen will und beschaffe dann das Material, sondern ich freunde mich mit dem an, was da ist und lasse mich vom Material leiten (dazu gehört übrigens auch das Aufribbeln von einer eine Menge alter Strickstücke…).
Nur bei meinen gehäkelten Sommertops muss ich manchmal eine Ausnahme machen. Die sind so nachgefragt, dass mir die Farben dafür schnell ausgehen und ich greife deshalb auf Bio-Baumwolle mit GOTS-Zertifikat zurück.
Meine Aktion zur Wolldiät ist entstanden, weil mich – wie viele andere auch – die Größe meines Stashs anfing zu stressen. Ein absolutes Luxusproblem, schon klar. Allerdings ist es schwierig, gute Empfänger für Wollspenden zu finden. Dürfen meine „Wolldiäterinnen“ Dir Wolle zukommen lassen?
Mich begann mein Stash auch irgendwann an zu stressen – das kann ich gut nachvollziehen. Meine Lösung dafür war, ein Studio in Berlin anzumieten. Das kann natürlich nicht für alle die Lösung sein 🙂 Deshalb freue ich mich sehr, wenn ihr mir eure Wolle überlasst. Ich habe hier ein warmes Zuhause für jedes ungeliebte Knäuel!
Aus den natürlichen Garnen stricke ich bunte Pullover, häkle Stirnbänder und Sommertops. Die künstlichen Fasern finden in meinem absoluten Lieblingsprojekt einen Sinn: die bunten Körbe. Alles, was ich selbst nicht verarbeiten kann, wickle ich dann zu neuem Recycling-Garn zusammen. Ein weiteres Herzensprojekt von mir. Und die allerletzten kleinen Reste nutze ich dann noch zur Befüllung von Kissen.

Wenn ja, welche verwertest Du und welche nicht? Sollen sie dich z. B. vorher kontaktieren mit Infos zum Garn, dass sie Dir spenden würden, gibt es Mindest- / Höchstmengen?
Grundsätzlich freue ich mich über jedes Material. Am liebsten verwende ich Baumwolle und alle natürlichen Fasern, aber auch Polyacryl ist willkommen. Ich freue mich, wenn alle Wolldiäter*innen sich vorher kurz bei mir über Instagram melden, um dann genaueres absprechen zu können.
Was sonst sollte noch beachtet werden?
Wichtig ist mir, dass die Garne aus einem rauchfreien Haushalt kommen und mottensicher gelagert wurden. Das war bisher immer der Fall, jedoch setze ich das trotzdem auf meine Wunschliste.
Welche ist Deine größte Herausforderung bei der Arbeit für Deine Shopartikel? (z. B. schöne Fotos machen, Ideenfindung, zu viel Ideen – zu wenig Zeit, Marketing und Sichtbarkeit…)
Die größte Herausforderung? Da gebe ich mal was ganz Persönliches preis. Es fällt mir schwer, mir eine Bühne zu nehmen und allen zuzurufen: „Schaut alle her! Hier kommt Wilde Käthe!“. Das ist meiner Erfahrung nach etwas, was viele Frauen* in ihrem Leben begleitet und was sich dann in der Sichtbarkeit und dem Marketing niederschlägt. Auch die Fotoaufnahmen stressen mich immer wieder. Zum Glück kann ich all diese Dinge noch lernen.

Viele Deiner Artikel sind gehäkelt. Abseits des Amigurumi-Hypes: Würdest Du sagen, Häkeln ist wieder modern? Und wenn ja, warum? (Diese Frage stelle ich, weil ich persönlich zwar häkeln kann, aber es nicht gern tue und noch ein Schultrauma von altbackenen Brustbeuteln usw mit mir rumtrage…)
Ich glaube, dass das Häkeln auf jeden Fall einen Aufschwung erlebt hat und sich vom Topflappen-Image befreien konnte. Trotzdem ist das Häkeln immer noch ein nischiges Ding, das von einer verhältnismäßig kleinen Community umgeben ist. Deshalb freue ich mich jedes Mal, wenn ich gehäkelte Buckethats, Bikinitops und Tussi-Bags auf Instagram entdecke.
Vor allem Instagram trägt dazu bei, häkelnde Künstler*innen sichtbar zu machen. Häkeln findet nicht mehr nur in verstaubten Heften statt, sondern auf einer größeren Plattform, die mehr Vielfalt in der Kunst und der Handarbeit sichtbar macht.
Hast Du noch einen Hauptberuf, und verrätst Du uns, welchen?
Vor Wilde Käthe war ich mal Gesundheits- und Krankenpflegerin. Ich habe schon früh (mit 16) angefangen und habe dann nach einigen Jahren Psychologie studiert. Ich habe als Dozentin für Kinderschutz gearbeitet, Vorstandsarbeit in einem Verein gemacht und zuletzt an einem Buchprojekt zu Rassismussensibler Therapie und Beratung mitgeschrieben, was vor kurzem veröffentlicht wurde. Aktuell arbeite ich bei „Loops“, einem wunderbaren Wollladen in Berlin-Prenzlauer Berg. Mein Hauptberuf? Schwer zu beantworten.
Verrätst Du uns ein FunFact über dich?
Beim Häkeln höre ich am liebsten Techno und träume davon, komplett eingehäkelt im Club zu tanzen.
Liebe Katja, vielen Dank für diesen interessanten Einblick. Und weiter viel Erfolg mit WildeKäthe!
Vielen Dank für diese inspirierenden Fragen – Es war mir eine Freude!
WildeKäthe findet ihr auf Instagram – und in ihrem Shop bei Etsy könnt ihr ihre bunten Produkte und das Recycling-Garn, das sie selbst herstellt, sehen und natürlich kaufen. .

Verlinkt zu Dings vom Dienstag – ein kleiner Blog – Lieblingsstücke – meine Fummeley – Creativsalat
Tolles Interview und inspierende Antworten von einem interessanten Gast! 😉