Jahresrückblick 2021: Abstriche machen

Jahresrückblick 2021: Abstriche machen

27. Dezember 2021 4 Von FrauSonnenburg

Herzlich willkommen zum Jahresrückblick 2021 – wieder unter Anregung und Anleitung von Judith / Sympatexter. Ich nehme euch mit auf meinen ganz persönlichen Rückblick auf das vergangene Jahr, das wieder ein sehr spezielles, forderndes und – in der Rückschau – lehrreiches war.

2020 war… ausgefallen

Geht es euch auch so? 2020 war da plötzlich dieses Virus, alles war bedrohlich (Ansteckungsgefahr, tödliche Verläufe, erste und zweite Welle…). Vieles war neu (Home Office, Home Schooling, Kurzarbeit…), und am Ende des Jahres waren alle MÜTEND. Müde. Und manchmal wütend. Und oft beides gleichzeitig.

In meinem Jahresrückblick 2020 schreibe ich , dass mein kreativer Fluss fast versiegt ist. Und was soll ich sagen: 2021 war da keinen Deut besser. Nicht nur deshalb meine Überschrift für 2021:

Abstriche machen.

Meine drei Wünsche aus 2020

Jahresrückblog 2021 - Wunschliste

2021 hat mich gelehrt, Abstriche zu machen. Wünsche können in Erfüllung gehen – oder auch nicht. Jetzt, am Ende dieses Jahres 2021, fühle ich mich ein bisschen wie am Murmeltiertag: Zum Ende dieses Jahres sind wir wieder fast da, wo wir Ende letzten Jahres auch schon waren. Hoffnung auf Besserung: Abstriche machen.

Oma besuchen

Ich hatte mir gewünscht, meine Oma besuchen zu können: Leider ist sie im Januar verstorben. Nicht am Virus, sondern einfach, weil der Körper mit 95 Jahren einfach nicht mehr will. Und der Geist vielleicht auch nicht mehr, nach einem Jahr im Heim, bei dem Besuche pandemiebedingt nur unter verschärften Bedingungen stattfinden konnten. Ein Zitat meiner Oma ist mir im Gedächtnis geblieben: „Dass es keine Messe in der Kirche gibt – das gab es nicht einmal im Krieg!“

Beeindruckend, dass sie mit ihrer langen Lebenserfahrung die Auswirkungen dieses Virus als gravierender empfand als den 2. Weltkrieg, den sie als junges Mädchen miterlebt hat. Erzählungen von geschlossenen Gotteshäusern und Schulen, Home office, knappem Toilettenpapier und vergriffener Hefe im Supermarkt konnte sie überhaupt nicht glauben. Vielleicht ganz gut, dass sie im relativ geschützten Kokon des Heims das ganze Ausmaß nicht aus erster Hand miterlebt hat. Ihre Beerdigung Ende Januar unter Coronabedingungen war jedenfalls ein wahres Trauerspiel für uns Angehörige – dies wäre einen eigenen Blogpost wert!

Anspruch an Familienfeiern: Abstriche machen.

Kreativ in Schwung kommen

Ich hatte mir gewünscht, dass ich kreativ wieder in Schwung komme. Auch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. In gewisser Weise litt ich das erste Dreivierteljahr unter vollständiger kreativer Ladehemmung. Das Widersinnige daran: Ich habe von Januar bis August nicht gearbeitet und mir im Vorfeld ausgemalt, wie toll es sein würde: Kein Job, so viel Zeit für all diese Dinge, die ich immer schon mal machen wollte „wenn mal Zeit ist“. Nun war Zeit in Massen, und nichts ging.

Selbstorganisation: Abstriche machen.

Einen neuen Job finden

Das hatte mit meinem dritten Wunsch zu tun: Einen neuen Job finden. Das immerhin hat geklappt, aber der Weg dahin war für mich sehr steinig und verschlungen. Interessanterweise kam meine kreative Ader wieder in Schwung, sobald ich den neuen Job angetreten hatte. Die Unwägbarkeit der Arbeitssuche (trotz erhaltener Abfindung, trotz Absicherung im Rahmen einer Transfergesellschaft) hatte mich völlig blockiert.

Auch beim Job an sich habe ich erst einmal Abstriche gemacht. Finanziell, die Arbeitszeit und vor allem die Aufgaben betreffend. Gleiches gilt an die Ansprüche, die ich hinsichtlich des Umgangs mit mir in Interviews stellte, sowie an die Zeitschiene, die ich für so einen Bewerbungsprozess veranschlage. Ein bisschen mehr dazu folgt im nächsten Punkt:


2021: Lehrreich!

Mein positives Wesen wurde also 2021 auf eine echte Probe gestellt. Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Sondern viele Dinge gelernt:

Ich lerne sehr gern. Wirklich! Und 2021 war ein strenger Lehrmeister für mich.

Lektion 1: Nicht jeder Experte ist ein Experte für DICH!

Im Rahmen der Jobsuche waren alle meine Kanäle auf Empfang. Wie ein Walfisch auf der Suche nach Plankton surfte ich durch das WWW auf der Suche nach DEM ultimativen Tipps für Bewerbung, Vorstellungsgespräch & Co. Meine Erfahrung dabei: Tipps unkritisch aufzunehmen führte in meinem Fall zur völligen Überforderung. Bewerbungen sollen sein wie der Trailer zum Kinofilm. Zoom-Interviews sollen perfekt inszeniert sein. Man selbst soll sich nicht nur bestmöglich, sondern PERFEKT „verkaufen“. Sagen die Personalexperten dieser Welt.

Im Rückblick muss ich sagen: OK. Kann man so machen. Führt aber vielleicht zu extremem Druck und Enttäuschung. Denn: Das Gegenstück der Bewerbung (also der potenzielle Arbeitgeber) hat genau den Podcast nicht gehört, genau den Workshop nicht besucht. Er weiß nichts von dem neuen heißen Sch** auf dem Bewerbungsmarkt, sondern will neben seinem Tagesgeschäft einfach eine Stelle besetzen. Ist dabei selber nicht perfekt ausgeleuchtet. Verkauft die angebotene Stelle nicht perfekt. Sondern verschwindet aus dem Bild und lässt einen gebrauchten Teebeutel vor der Kamera schweben. (Ja, das kam tatsächlich vor) Denn: es sind alles Menschen, und das ist gut so!

Ist man einmal drin in dieser Spirale der Selbstoptimierung, kann das zum Zwang führen – und zur absoluten Verunsicherung, einem Gefühl der Wertlosigkeit. Mir kam in dieser Zeit mein Selbstwertgefühl fast vollständig abhanden.

Lektion 2: Bauchgefühl rocks!

Mein Fazit daraus: Ich bin ich. Ich kann, was ich kann (und ich kann was!). Ich weiß um meine Stärken und meine Schwächen, ich kenne die Grenzen meiner Komfortzone. Tipps sind Tipps. Nicht mehr und nicht weniger. Sie müssen zu mir passen, damit ich sie umsetzen kann – und nur das führt zum Erfolg. Auf mein Bauchgefühl konnte ich mich bisher immer verlassen – allerdings habe ich es in einigen Situationen ignoriert, denn es gab da ja diesen tollen Expertentipp, der garantiert mein Problem lösen würde … Nix da. Es funktionierte dann nicht, wenn ich mich verbogen habe. Wenn ich nicht authentisch war. Bauchgefühl ist der kompetenteste Ratgeber.

Lektion 3: Der dicke Fisch kommt von allein!

All die Monate des Zweifelns predigte der beste Ehemann von allen eines: „Setz dich an den Fluss, halt die Angel rein – der dicke Fisch kommt von allein!“

Irgendwann war schließlich der Korken aus der Flasche, und es hat geklappt. Und er hatte Recht: Der dicke Fisch kam. In meinem Fall auf Umwegen und nach vielen dunklen Tagen. Aber: er kam. Und so habe ich heute sogar beruflich mit Fisch zu tun.

2021: Meine Highlights

Trotz aller dunklen Strecken, trotz aller Abstriche, die zu machen mich dieses Jahr gelehrt hat, gab es im Rückblick doch einen Haufen Highlights.

Mein allergrößtes war

das erste Essen in einem Restaurant nach dem Lockdown

Jahresrückblog - Highlights 2021 - Essen gehen

Wir erinnern uns: Von November 2020 Bis Ostern 2021 war alles geschlossen, was nicht zum täglichen Bedarf gezählt wurde oder als systemrelevant betrachtet wurde. Gastronomie, Hotels, Schwimmbäder, Wellness, Kultureinrichtungen – geschlossen im Lockdown. Hier in Schleswig-Holstein waren wir unter den Glückskindern: Zu Ostern wurde die Außengastronomie geöffnet. Mittels App-Registrierung durfte man nun wieder die Außenbereiche von Restaurants, Bars und Cafés besuchen. Haben wir gemacht: An einem herrlichen, schon recht warmen Tag im April gab es Spargel und Schnitzel am Strand. Und es war sosososo toll. Es gab freundliches Personal, das einem Lust machte auf die Speisen und Getränke. Das – nach Monaten von lauwarmem Mitnahmeessen in Pappschachteln – herrlich angerichtete Mahlzeiten auf Porzellantellern heiß (!) an den Tisch brachte. Das sich kümmerte. Es war ein wahres Fest!

Highlight Nr. 2: Das Meer

Jahresrückblog - Highlights 2021

Ganz ehrlich: Ohne meinen geliebten Ostseestrand wäre ich dieses Jahr wahrscheinlich durchgedreht. In Zeiten, in denen keinerlei Zerstreuung möglich war, war eine Fahrt zum Strand, ein ausgedehnter Spaziergang bei Wind und Wetter oder später auch die erfrischende Runde im Wasser eine willkommene Abwechslung. Horizont, Himmel, Weitblick: Balsam für die Seele!

Highlight Nr. 3: Kultur!

Jahresrückblog - Highlights 2021 - Kultur - ElbPhilharmonie - SHMF

Ja, man glaubt es kaum, aber ich durfte 2021 zwei besondere Höhepunkte erleben:

  • im Juli ein Open-Air-Konzert des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, mit dem Finale des Nachwuchswettbewerbs und dem Cellisten Kian Soltani: Ein perfekter Tag! Sonne, entspannte Menschen, feines Essen, Picknick und Musik: Nichts zu meckern!
  • Im September erhielt ich durch einen Zufall eine Karte für die Elbphilharmonie in Hamburg. Die Aussichtsplattform habe ich schon mehrfach begeistert besucht, aber nun gab es ein Konzert im Großen Saal zu besuchen: Das NDR-Jugendphilharmonieorchester spielte Mahlers 5. Es war einfach großartig! Nie hatte ich bisher ein Philharmonieorchester gesehen. Ehrlicherweise: Die Musik habe ich vergessen, aber der Eindruck von über 90 jungen Musikern, die so begeistert und mit Hingabe spielten: Es war eine wahre Freude!

Highlight Nr. 4: Mini-Kreuzfahrt nach Oslo

Jahresrückblog - Highlights 2021 - Oslo

Auch in diesem Jahr war ja nie so recht klar, ob, wann und wohin man ohne Einschränkungen reisen können würde. Auf unsere geplante Mini-Kreuzfahrt von Kiel nach Oslo und zurück freuten der Herzensmann und ich uns daher nur mit halber Kraft. Und am Ende wurde unser Wunsch erfüllt: Die Reise fand statt. Mit erstaunlichem Kontrollaufwand auf dem Weg nach Norwegen und ebenso erstaunlich wenig Aufwand auf dem Rückweg verbrachten wir je eine Nacht auf der Color Magic bzw Colour Fantasy und eine Nacht in einem trendy Hotel gleich beim Hauptbahnhof. Und hatten Ende August offenbar den norwegischen Sommer erwischt: Es war sehr warm, es war lange hell, die Straßencafés waren rappelvoll, Hausbootsaunen fuhren auf dem Fjord… Diese wunderbare kleine Hauptstadt zeigte sich uns von der besten Seite, und das Virus hatte kurz Pause. Endlich.

Highlight Nr. 5: Dänemark

Jahresrückblog - Highlights 2021 - Dänemark

Im Oktober dann ein weiteres großes Highlight: Eine ganz entspannte Woche am Rinköbingfjord. Abgesehen von der An- und Abreise (Herbstferien) ein perfekter Urlaub: Ein supergemütliches Ferienhaus, sonniges Wetter. Der Herzensmann freute sich an seinem mit dem Haus gemieteten Rad und dem Whirlpool, ich freute mich am Strand (s. o.), und gemeinsam freuten wir uns über die Tatsache, dass die Gegend voller Natur und nahezu frei von wichtigen Sehenswürdigkeiten ist. Beste Voraussetzungen für super entspannte Tage – alles richtig gemacht!

Zum Schluss noch ein bisschen Statistik

  • 51 Bücher gelesen. Meine Lieblinge darunter:  „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ von Rainer Moritz (`*affiliate link), sehr berührend und ein Stück Zeitgeschichte. „Der Fund“ von Bernhard Aichner (*): ein sehr spannender Krimi mit einer interessanten Konstruktion.  „Harro und Libertas“(*) von Norman Ohler beleuchtet detailliert und fachkundig das Leben zweier Widerstandskämpfer gegen Hitler, ohne dabei je langweilig zu sein. Und „Not Forgetting the Whale“ (deutsch: Der Wal und das Ende der Welt“ * )von John Ironmonger, das in seinem Plot eine erstaunliche Parallele zur aktuellen Pandemie schafft.
  • 45 Blogposts veröffentlicht. Dabei gibt es nun eine neue Kategorie: Den Maschenrückblick. Hier halte ich monatliche Rückschau auf meine Strickprojekte und Ausblick auf meine Pläne. In der Kategorie „Im Interview“ gab es ein eindrucksvolles Interview mit Munkhbold Bold über die Nomaden in der Mongolei – sehr beeindruckend, lest mal rein.
  • 21 Strickprojekte beendet, darunter 6 Modellstricks für Pascuali, 3 Teststricks und 2 eigene Designs. Eins davon – die Mütze Mara – ist gerade erschienen. Das zweite habe ich in Zusammenarbeit mit Frau StrickFisch entworfen, hierfür läuft der Teststrick, damit die Anleitung im Januar auf Ravelry erscheinen kann.
  • Dafür habe ich 21.400 m Garn verstrickt (4.000 mehr als im letzten Jahr). 11.550 m sind in diesem Jahr zu meinem Garnvorrat dazugekommen und noch nicht verstrickt worden. Per Ende Dezember sind nun wiederum 26.320 m in meinem Wolle-Lager. Also ein geringer Zuwachs zu letztem Jahr. Keine ganz so gute Bilanz für meine Wolldiät.
  • Ich habe 26 Nähprojekte beendet, in diesem Jahr waren darunter viele Accessoires und wenig Kleidung. Mein Liebling ist in diesem Jahr die sagenhaft bequeme Pirkko Pants.
  • Dabei habe ich etwa 31 m Stoff vernäht. Allerdings auch 15 m neu gekauft, der noch nicht vernäht ist – Damit sind 37,05 m in meinem Bestand. Mit meiner Motivation zu nähen ist es auch dieses Jahr nicht so weit her gewesen. Während der joblosen Zeit und auch später im Home Office trage ich die bestehende Garderobe, und davon meist die gleichen Teile. So rechten Bedarf nach neuer Kleidung habe ich wirklich nicht – aber in diesem Jahr auch wenig Lust, neue Schnitte oder Techniken zu probieren.

Meine Wünsche für 2022

Was ich mir – wie wahrscheinlich auch viele andere – wünsche, ist: Ein Plan für mehr Normalität. Normalität im Sinne von Planbarkeit. Dieses ganze Hin und Her, das 2021 an der Tagesordnung war hinsichtlich neuer / alter / überholter Regeln zur Pandemie, unterschiedlich von Landkreis zu Landkreis und teilweise im Wochentakt aktualisiert, fand ich extrem ermüdend. Auch jetzt hat man gerade den Eindruck, jeder kocht sein eigenes Süppchen: 3G und „Möglichkeit“ zum Home Office bei der Arbeit (in meinem Fall heißt das tatsächlich, ich „darf“ in meiner Präsenzwoche selbst entscheiden, ob ich ins Büro fahre oder von zu Hause arbeite. Als Neuling in der Firma und im Team finde ich das schwierig und würde mir eine feste Ansage wünschen nach Art von „Präsenzwoche = alle haben da zu sein“ oder „Alle, die können, arbeiten von zu Hause.). Beim Weihnachtsmarkt: 2G. Im Restaurant: 2G+, aber nicht überall. Leute, gebt mir eine Liste mit „Wenn xy eintritt, gilt z“, und ich mache den ganzen Wahnsinn weiter mit. Aber ich bin es wirklich müde (nicht Leid – müde!), dauernd selbst entscheiden zu sollen, was nun gerade richtig ist.

Sonst sind meine Wünsche eher bescheiden:

  • Im neuen Job und im neuen Team richtig ankommen
  • Das Nähtreffen in Dänemark soll bitte stattfinden können
  • Kreativ Fahrt aufnehmen oder mich zumindest nicht mehr so dran stören, dass das jetzt gerade nicht so klappt. Oder auch: Abstriche zu machen an den eigenen Ansprüchen
  • Im Sommer Urlaub machen können.