Knallrotes Kielo Wrap Dress aus Leinen

Knallrotes Kielo Wrap Dress aus Leinen

7. Oktober 2020 15 Von FrauSonnenburg

Ich gebe es zu: Ich neige zum Lemming-Sein. Manchmal braucht es nur einen kleinen Anstupser, und ich nähe so was von zielgerichtet! So auch beim Kielo Wrap Dress.

Der Schnitt

Das Kielo Wrap Dress von dem finnischen Label Named ist zugegebenermaßen schon ein recht alter Schnitt: Seit 2014 ist er auf dem Markt. Ich habe ihn 2017 überhaupt erst wahrgenommen: ein langärmeliges Kleid in Maxilänge, mit weiten angeschnittenen „Flügeln“, die mittels langer Bindebänder um die Taille gewickelt werden. So entsteht eine schmale Silhouette. Die Wickelung in Verbindung mit der Maxilänge führte erst einmal zu meiner Meinung „nice, aber nix für mich.

Modellzeichnung
Bildquelle: Namedclothing.com

Bis… zu einem Garten-Nähtreffen des Hamburger Nähkränzchens, bei dem meine Gute-Laune-Zadie entstanden ist. Da nämlich trug eine Nähfreundin ein Kielo-Dress aus sommerlicher Baumwolle, ärmellos, und nur knielang.

Na also! DAS war meine Version! Noch am selben Abend wurde der Schnitt gekauft und zum Plotten geschickt. Kaum war der Stoff im Briefkasten, wurde er ausgeschnitten, denn Kielo sollte mein Projekt werden für das nächste Nähkränzchen im ganz kleinen Kreis an einem heißen Augusttag.

Und hier kommt der erste (und eigentlich auch einzige) Kritikpunkt am Schnitt:

Inzwischen gibt es in den Schnittdateien enthalten auch eine Variante als Jumpsuit mit Nackenschlitz, Belege für die ärmellose Version von Jumpsuit und Kleid und noch einmal separate Belege für die Variante mit Ärmeln.

Die Armausschnitte unterscheiden sich bei den Versionen mit und ohne Ärmeln, deshalb die verschiedenen Belege (gut mitgedacht!). Allerdings liegen die Linien von Jumpsuit und Kleid übereinander, beim Kleid gibt es noch dazu Linien für die verschiedenen Längen (Knielang, Midi, Maxi). So entsteht ein unfassbarer Wust an Linien für die einzelnen Schnitteile, der sich kaum überblicken lässt. Somit war das Ausschneiden der Schnitteile wahrlich keine Freude.

Der Stoff: Leinen!

Vergangenen Sommer war ich in Berlin und besuchte eine Strickfreundin. Diese hatte mich gebeten, ob ich ihr das Trapeze-Dress von Merchant&Mills nähen könnte, und zwecks Kauf von Stoff und Schnitt besuchten wir gemeinsam Wollen Berlin. Dort gibt es nicht nur exquisite Wolle und allerlei Strickzubehör, sondern auch Schnittmuster und eine große Auswahl an litauischem Leinen. Als Honorar für die Näharbeit durfte ich diesen wunderschönen Leinenstoff mitnehmen. Es war ein Reststück vom Ballen, 2 m lang und mohnblumenrot – Das Kielo-Dress war genau der Schnitt, auf den der Stoff wartete!

Der Zuschnitt

Nach dem Krimi des Schnittbogens war der Zuschnitt eher ein Spaziergang. Für meine Version mit kurzen Ärmelchen benötigte ich ein Vorderteil, zwei Rückenteile, die entsprechenden Belege, die Ärmel und die beiden Bindebänder. Auf dem einfarbigen Stoff konnte ich die Vorder- und Rückenteile gegeneinander legen. Laut Hersteller hätten es für meine Größe 44 2.60 m für die ärmellose Variante in voller Länge sein müssen. Da ich aber die knielange Variante gewählt habe, kam ich mit meinen 2 Metern Leinen gut aus. Gewundert habe ich mich allerdings über die für meinen Geschmack sehr breiten Bindebänder. Dazu weiter unten noch einmal mehr.

Kielo Wrap Dress: leicht genäht!

Genäht ist Kielo eigentlich ganz fix. Da ich ja – anders als vom Hersteller vorgegeben – keinen elastischen Stoff verwendet habe, habe ich im Nacken einen kleinen Schlitz genäht mit Hakenverschluss:

Kielo Wrap Dress - Verschluss

Dieser basiert auf der im Schnittbogen vorgegebenen Variante für den Jumpsuit, geht allerdings längst nicht so tief, sondern ist so bemessen, dass nur die eventuell nötige Mehrweite für den Kopf geschaffen wird. Tatsächlich wäre der Schlitz gar nicht nötig gewesen, das Kleid geht auch so problemlos anzuziehen.

Beim Verstürzen des Ausschnitts mit dem Beleg ist ein bisschen Sorgfalt gefragt, aber mit ein bisschen Geduld ist das kein Problem. (Ok, Sorgfalt beim anschließenden Bügeln könnte dan auch nicht schaden *räusper*)

Das Desaster

Doch dann… beim Schließen der Seitennähte, bei denen auch die Bindebänder mitgefasst werden, geriet meine Ovi außer Kontrolle – als Ergebnis hatte sich ein mächtiges Loch in den Stoff gefressen. Auch noch auf der Seite, die beim Wickeln außen liegt. Das Keid war fast fertig, und dann so ein Desaster!

Was tun? Weite an der Seitennaht wegnehmen wäre nur gegangen, wenn ich den Schnitt komplett geändert hätte – sprich, auf die Wickelung verzichtet hätte.

Wer mich kennt, der ahnt, dass mir eine unorthodoxe Lösung eingefallen ist.

Die Lösung: eine Tasche

Um Ausfransen zu verhindern, habe ich beide Seiten des Stoffs erst einmal mit Vlieseline bebügelt. Angezogen und gewickelt, saß das Loch etwas oberhalb der Hüfte. Eigentlich da, wo bei anderen Kleidungsstücken eine Tasche sitzt.

Also lautete die Lösung: Wir basteln eine Tasche für Kielo!

Mittels Schnittmusterpapier bastelte ich zunächst eine Vorlage für ein Dreieck, das gerade groß genug für meine Hand war, und unter dem sich das Loch bequem verstecken ließ. Aus einer doppelten Stofflage zugeschnitten, verstürzt und in der Seitennaht eingefasst, wurde die zweite Kante des Dreiecks aufgesteppt. Voilá, fertig ist die Tasche:

Kielo Wrap Dress - Tasche

Sie ist nicht groß, aber es würde eine Schlüsselkarte oder notfalls auch ein Taschentuch hineinpassen:

Kielo Wrap Dress - Tasche -

Bei der Anprobe zwecks Taschenösung war mir außerdem aufgefallen, dass die Bindebänder tatsächlich viel zu breit waren, um sich aus dem steifen Leinenstoff bequem binden zu lassen. Dafür sind sie für meinen Geschmack ein gutes Stück zu kurz. Da der Schnitt ursprünglich für – weichen, dehnbaren – Jersey konzipiert ist, ist dieses Phänomen sicher zum Großteil der verwendeten Webware geschuldet.

Vor dem Einarbeiten der Tasche trennte ich also auch die Bänder noch einmal auf und kürzte sie auf die halbe Breite. Jetzt sind sie zwar immer noch zu kurz bzw lassen sich nur hinten binden, dies aber immerhin komfortabel.

Dann nur noch säumen – und:

Fertig ist das Kielo Wrap Dress!

Kielo Wrap Dress - Tragefoto

Frau Küstensocke möge mir verzeihen: Die Lichtverhältnisse sind in diesem Fall wirklich nicht optimal. Leider fiel mir das erst auf, als die Bilder längst im Kasten waren.

Wie man aber erkennen kann, könnten die „Flügel“ etwas länger sein, sprich: das Kleid mehr Weite haben, damit es sich enger wickeln lässt. Damit löst sich dann evtl auch das problem der zu kurzen Bindebänder. Beim nächsten Mal werde ich das einmal ausprobieren.

Trotz all dem Krimi beim Nähen: Kielo gefällt mir sehr gut! Diese Version konnte ich leider nur einmal tragen, bevor der Herbst zugeschlagen hat (und dann goss mir mein Tischnachbar auch noch roten Sekt übers Kleid, was das Leinen aber problemlos weggesteckt hat). Länger dürfte das Kleid für mich nicht sein, aber ich möchte unbedingt noch eine Version mit langem Arm, ohne Rückenschlitz und aus festerem Jersey oder Romanit für den Herbst und Winter. Aus diesem Material ist Kielo dann auf jeden Fall auch Home-Office-tauglich: bequem und doch gut angezogen.

Nach all der Aufregung lehne ich mich nun gemütlich zurück und schaue, was meine Mitstreiterinnen an diesem Oktober-MeMade-Mittwoch zeigen. Ob aich noch Sommermode zu sehen ist? Oder die Herbstmodelle überwiegen?