Dänische Kimonobluse mit Patternhack

Dänische Kimonobluse mit Patternhack

3. März 2020 12 Von FrauSonnenburg

Vor zwei Wochen war ich zum Nähwochenende in Dänemark. Die liebe KaPe Anlumi hatte die grandiose Idee, ein großes Ferienhaus am Ringköbingfjord zu mieten, mit ausreichend Platz für anspruchsvolle Nähprojekte. So zogen sieben Nähnerds mit allem, was man zum Essen, Trinken (!) und Nähen benötigt, ein ins „Dänische Bettenlager“. Mit dabei: Mein Angstprojekt, die Kimonobluse von Crafteln.

Die Kimonobluse – made by Stokx

Ich mag die Schnitte von Crafteln, die alle in Zusammenarbeit mit Lindy Stokes vom Label Stokx entstehen, sehr. Fast die komplette Kollektion findet sich in meinem Kleiderschrank, wurde teilweise mehrfach genäht und wird oft und gern getragen.

Was mich an den Schnitten so begeistert sind die raffinierte Schnittführung und die damit verbundene raffinierte Silhouette der Kleidungsstücke – diese sind tauglich für jeden Figurtyp und lassen sich durch viele Teilungsnähte immer gut an den eigenen Körper anpassen. Dazu sind die Schnitte in wirklich vielen Größen erhältlich, und eine umfangreiche Maßtabelle macht das Auffinden der eigenen Größe leicht.

So schmeichelt auch die Kimonobluse (in verlängerter Form auch als Kimonokleid nähbar) jeder Figur, dies ist auf zahlreichen Blogs und bei Instagram zu sehen. Allerdings habe ich einige Schauergeschichten zum Kimonokleid gehört (und beim Hamburger Nähkränzchen auch schon miterlebt). Denn es gibt hier eine trickreiche Stelle – den Kragen. Aber dazu später.

Dänemark - Bjerregaard

Nähen im „Dänischen Bettenlager“

Ein weiteres Detail, das ich an den Crafteln-Schnitten schätze, ist die Anleitung. Die Schnitte sind in der Regel anspruchsvolle Designerschnitte, die Anleitungen jedoch so geschrieben und bebildert, dass auch die Hobbyschneiderin das Projekt bewältigen kann. Außerdem sind die Schnitte eingeteilt in Schwierigkeitsstufe – Das Kimonokleid ist „Level Meisterklasse“.

So war die Bluse wieder ein ideales Projekt für ein Nähwochenende unter Nerds – bisher habe ich alle anspruchsvollen Projekte mit Hilfe des vorhandenen Schwarmwissens gemeistert. Der Schnitt lag schon fast zwei Jahre in meinem Archiv, und passenden Stoff hatte ich letztes Jahr bei einem Ausflug mit Frau Nähenziehtan ausgesucht: ein dünner, doch nicht durchsichtiger Baumwollstoff mit dünnen weißen und blauen Streifen.

Zugeschnitten wurde zu Hause. Hierbei sei gesagt, dass es bei der Kimonobluse ein wahrlich riesenhaftes Schnittteil gibt: beide Vorderteile inclusive dem berüchtigten Kragen werden in einem langen Teil zugeschnitten. Dafür braucht es einiges an Platz, und Ruhe beim Zuschnitt ist auch nicht verkehrt, damit man nicht ein Schnittteil vergisst.

Auf den letzten Drücker wurde noch Einlage eingepackt und mit nach Dänemark genommen: Die Knopfleiste entlang des laaaaangen Vorderteils wird über die gesamte Länge von rechts (!) mit Einlage bebügelt. Hier empfiehlt sich die aufmerksame Lektüre der Anleitung, denn das hat so seinen Sinn.

Das Nähwochende startete ganz gemütlich – nämlich mit dem Einkauf überlebenswichtiger Dinge wie Ymer (so etwas wie Dickmilch) mit zugehörigem Dries (gerösteten süßen Schwarzbrotkrümeln), Schokolade mit Salzkaramell, Knäckebrot, gesalzener Butter, geräucherten Garnelen und einem Haufen Wolle (meine Beichte dazu demnächst bei der Wolldiät…). Bis die ersten Stiche genäht wurden, war es schon weit forgeschrittener Samstag Nachmittag.

Mein Etappenziel für den ersten Abend war, Vorder- und Rückenteile miteinander zu verbinden, sprich, die kritische Stelle des Kragens zu meistern. Gemütlich nähte ich mich Schritt für Schritt durch die Anleitung und hoppla – auf einmal war die kritische Stelle unbemerkt gemeistert.

Der Kragen beim Kimonokleid – und meine Lösung

Die Stellen, die bei dem Schnitt zu Schwierigkeiten führen, sind die, bei denen die Schulternähte und die Verbindungsnaht zwischen Kragen und Rückenteil von innen mit Schrägstreifen versäubert werden. Gleichzeitig werden die Schnittteile miteinander verbunden. Ein außergewöhnlicher Schritt, der dazu gedacht ist, die Bluse auch von innen super akkurat verarbeitet aussehen zu lassen.

Hier (auch) mein entscheidender Kritikpunkt an der Anleitung: Dieser Gedankengang erschließt sich anhand des Anleitungstextes überhaupt nicht. Ein Satz als Erklärung dazu und mehr Illustrationen würde den Näherinnen einiges an Verwirrung und vermutlich Frust ersparen. Weiters würde es die Orientierung deutlich erleichtern, wenn alle Schnitteile immer konsequent so benannt wären, wie sie auf den Schnitteilen heißen.

Leider findet sich auch auf den verschiedenen Blogs weder eine gute Anleitung für die Originalversion noch Fotos über die Innenverarbeitung. Und auch bei Meikes Serie über das Nähen des Kimonokleids kommt dieser knifflige Schritt nur ganz schüchtern am Rande vor.

Meine Lösung, nachdem ich drei Mal die Schrägstreifen für die Schulternähte vergeblich versucht hatte, anleitungsgemäß zu verarbeiten: Weglassen!

Denn – wieder ein Pluspunkt für den Schnitt: Wie die Teile an sich zusammengehören, ist dank der vielen Passzeichen klar. Nämlich so:

Nachdem der Entschluss gefasst war, lief der Rest des Nähens wieder wie gewohnt – nämlich geräuschlos und wie am Schnürchen. Erstaunter Kommentar der Mitnäher: „Du hast ja den Kragen ganz ohne Fluchen genäht!“

Zwar habe ich nun an Schulter- und Kragennaht „nur“ eine Overlock-Versäuberung aber – hey! – mir wird wohl kaum jemand von innen in die Bluse schauen.

Anpassungen

Doch kaum war dieser Triumph gefeiert, zeichnete sich ein neues Problem ab: Die Bluse wurde zu eng. Kniffe wie seitliche Schlitze fallen bei dieser Longbluse leider aus, wenn der Saum nicht über die Hüfte passen will.
Üblicherweise sind die Maßtabellen bei den Crafteln-Schnitten sehr akkurat, bisher hatte ich nie ein Problem mit der Passform, nachdem ich meinen Maßen entsprechend die Größe ermittelt hatte. Hier schon – warum auch immer:

Entweder die Bluse lässt sich zuknöpfen, oder sie passt über den Hintern. Bis zur Brust dagegen passte Größe 4 wie eine eins.

Aber ich bin ja ein Fuchs, und der Schnitt ist clever: Dass ich seitlich Keile eingesetzt habe, sieht man nur, wenn man genau hinschaut, und dem Schnitt tut es keinen Abbruch:

Kimonobluse - Crafteln - Keil

Noch ein Patternhack: Manschetten!

Der Schnitt für die Kimonobluse kommt mit einem eingenen Schnittteil für kurze Ärmel daher. Ansonsten sind lange Ärmel mit angeschnittenem Beleg vorgesehen, der einfach nach innen umgeklappt wird. Die Ärmel waren mir im Original zu lang, so dass ich sie gekürzt habe. Was mir dann aber bei der Anprobe auffiel: Lange Ärmel ohne Schlitz sind einfach lange Ärmel. Zum Krempeln zu eng, zum nicht-Krempeln vielleicht manchmal zu lang. Hochgeschobene Ärmel bleiben bei mir oft nicht da, wo ich sie haben will.

Nach kurzer Beratung mit den Mitnäherinnen und Zählen der vorhandenen Knöpfe entschied ich mich für Manschetten und Schlitz, ganz klassich. Schlitz eingeschnitten, zwei Rechtecke zugeschnitten und angenäht. Zack – fertig sind sie:

Kimonobluse - Crafteln - Manschetten

Und habe ich nicht die perfekten Knöpfe zum Stoff aufgetrieben?

Am Morgen von Tag 4 im Bettenlager standen die Knopflöcher auf dem Programm. Da meine Maschine nur manuelle Knopflöcher kann und das immer so ein kleines Wagnis ist, durfte ich die Maschine einer Nähkollegin nutzen – und die näht vollautomatisch wunderschöne Knopflöcher, bei denen man einfach nur zusehen und den Faden abschneiden muss. Hexenwerk!

Die fertige Bluse

Noch schnell säumen (Saum einfach zweimal knapp nach innen umschlagen – absteppen – fertig!) – und fertig ist das Meisterwerk:

Kimonobluse - Crafteln - Tragefoto vorne hinten

Ein weiterer Vorteil von Nähbloggertreffen ist ja, dass man immer eine hilfsbereite Fotografin findet, die ohne große Erklärung die richtigen Bilder anfertigt. Da das Wetter die ganze Zeit über ziemlich zu wünschen übrig ließ, wurde flugs eine Regen- und Sturmpause auf dem Gelände des Ferienhauses genutzt.

Crafteln - Kimonobluse - Tragefoto vorneseitehinten

Die Bluse sitzt sehr bequem Unten ist sie vielleicht durch die eingesetzten Keile etwas weit und „rockig“ geraten, aber zur Zeit gefällt mir das noch gut. Bei Bedarf ließe sich hier problemlos Weite wieder herausnehmen. Die Länge gefällt mir auch für mich – vorne habe ich durch die Anpassung der Saumkurve an die Länge des Keils etwa 4 cm gekürzt, damit ist sie hinten etwas länger.

Der Kragen wird einfach nach außen umgeschlagen. Dies ist der Grund dafür, dass für das Kimonokleid Stoffe mit zwei schönen Seiten vorgesehen sind. Da über dem Bruspunkt noch ein Knopfloch ist, klafft der Ausschnitt nicht ungewollt weit auf. So kann man auch ein Langamshirt drunter ziehen, ohne dass es hervorblitzt.

Crafteln - Kimonobluse - Kragen - außen

Ja – ich bin sehr zufrieden mit meiner Kimonobluse! Sie wird jetzt im Frühling mit einem Shirt schon tragbar sein. Im Sommer kann ich die Ärmel hochrollen und bei Bedarf den oberen Knopf öffnen, dann wird es ein luftiges Kleidungsstück werden. Ich überlege sogar schon nach einem Nachfolger – da ist noch so ein hübscher roter Leinenstoff in meinem Fundus, der für eine Variante mit kurzen Armen ausreichen könnte…

Damit geht mein Beitrag zum MeMadeMittwoch im März – vielleicht finden sich hier auch Beiträge meiner Mitnäherinnen in Dänemark? Petra hat da so einen wunderbaren pinkfarbenen Mantel genäht…

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