
Sweatjacke Nalu: Am Ende wird alles gut
Meine geliebte Sweatjacke Valentina ist inzwischen schon wirklich abgeliebt und brauchte dringend Ersatz. Stoff hatte ich vergangnenen Sommer schon im Urlaub auf Usedom gekauft, aber so recht hatte ich mich nicht für einen Schnitt entscheiden können. Und dann war ohnehin erst mal Zeit für Wintergarderobe. Irgendwann im Frühjahr stolperte ich über viele tolle Designbeispiele der Sweatjacke NALU von Sara & Julez. Ein Schnitt für eine Jacke mit vielen Wandlungsmöglichkeiten? Genau meins!

Der Schnitt ist erhältlich als A4- und Plottdatei – hierfür gibt es ein Plus. Ich habe nämlich weder ein besonderes Talent noch Zeit oder Lust, mühsam ausgedruckte A4-Seiten aneinanderzukleben, und mein Lieblingsplotservice liefert von heute auf morgen für kleines Geld. Nicht, dass ich es immer so eilig hätte – Nalu lag geplottet noch eine ganze Weile rum.
Zum Hamburger Nähkränzchen im Juni allerdings sollte das Projekt angegangen werden, und vor dem Nähen steht der Zuschnitt. Und davor bei diesem Modell die Entscheidung: Kapuze oder großer Kragen? Känguruhtaschen? Paspeltaschen? Eingrifftaschen? Und damit einhergehend die Inventur des noch zu besodrgenden Zubehörs.
Mein Hauptstoff reichte nicht für das Modell mit Kapuze, und ich wollte furchtbar gern einmal Paspeltaschen mit so coolen Lederdreiecken oben und unten ausprobieren. Es fehlten somit Kordel für den Kragen, ein laaanger teilbarer Reißverschluss und eben jene coolen Lederdreiecke in passender Farbe.
Bis auf diese habe ich alles im Kurzwarenparadies Coban in Hamburg Altona bekommen, was praktischerweise ganz in der Nähe vom Ort des Nähtreffens gelegen ist und was ich bisher nur vom Hörensagen kannte. Wer mal in Hamburg ist – unbedingt hingehen! Hier gibt es fast alles (außer einer guten Lösung für meine dicke Kragenkordel und Lederdreiecke für Tascheneingriffe) – und supergünstig.
Nalu – das Näherlebnis
Dann allerdings ging der Ärger los. Dass ich das Stromkabel für die Ovi vergessen hatte, habe ich mir selbst zuzuschreiben. Aber mit der Nähanleitung stand ich relativ schnell auf Kriegsfuß. Ich bezeichne mich nicht mehr als blutige Anfängerin im Nähen, und Nalu richtet sich an „erfahrene Näherinnen“. Warum aber beginnt die Nähanleitung ausgerechnet mit dem Kinnschutz, der dann „für kurze Zeit zur Seite gelegt“ wird (zu diesem Detail weiter unten mehr)? Ich habe mir erst einmal den Abschnitt für die Paspeltaschen gesucht, und nachdem ich aus dem Möwenstoff zwei Patches zugeschnitten und auf die Vorderteile genäht hatte, diese ganz entspannt genäht.

Raglanärmel ansetzen ist keine Schwierigkeit, hier passten auch die Passzeichen prima, doch als der Kragen angesetzt war, das nächste Problem: Der am Morgen gekaufte Reißverschluss erwies sich genau um die Höhe des Kragens als zu kurz. Zwar hätte ich drauf kommen könne, aber generell finde ich, dass man bei einem Schnitt für 10 EUR erwarten kann, dass die Zutatenliste ausführlich ist und auch die Länge des Reißverschlusses angibt. Bei Nalu muss man sie am Schnitteil ausmessen: Punktabzug. Und zwar im Idealfall MIT Kragen, wenn man keine Kapuze näht. Also platzte ich 10 Minuten vor Ladenschluss wieder ins Kurzwarenparadies und tauschte den Reißverschluss um (was mir problemlos trotz fehlender Quittung ermöglicht wurde, da man sich noch an mich erinnerte. Danke, Herr Coban!).
Nächster Ärger: Als Stoff wird Sweat empfohlen, alternativ auch Softshell. Nun ist es bei Sweat ja so, dass er mehr oder weniger dehnbar ist. In meinem Fall sogar sehr dehnbar. Weder Vorderteile noch Belege werden aber mit Vlies verstärkt und stabilisiert. Nach dem dritten Versuch, den Reißverschluss einzusetzen, gab ich frustriert auf und vertagte den Schritt.
Zu Hause habe ich dann alles, was sich dehnt, mit Vlieseline bebügelt. Und hoppla, schon ließ sich der Reißverschluss einnähen! Wieso wird so etwas Entscheidendes in einer Anleitung nicht erwähnt? Wahrscheinlich, weil sich diese an erfahrene Näherinnen richtet? Punktabzug.

Und dann der nächste Schreck: Der Kinnschutz, der zu Beginn der Anleitung zur Seite gelegt wird, wird bei der Variante mit Kragen einfach vergessen. Und in den zig Seiten der Anleitung muss man mühsam blättern (oder scrollen, jedenfalls lange suchen), bis man den Schritt im Rahmen des Kapuzenmodells findet. Punktabzug.
Ihr ahnt es – ein Kinnschutz wird VOR dem Reißverschluss eingenäht. Zu diesem Zeitpunkt war ich kurz davor, das ganze Projekt einfach anzuzünden. Nach ein paar Tagen Pause habe ich den Reißverschluss dann am oberen Ende doch wieder aufgetrennt, den Kinnschutz dazwischengefummelt und alles wieder angenäht.
Übrigens wird auch beim Kragen kein Wort darüber verloren, dass man bei dünnerem Stoff besser noch Vlieseline aufbügelt. Hab ich gemacht, denn ich bin ja eine erfahrene Näherin und hatte den Glauben an die Anleitung zwischenzeitlich verloren.
Die Bündchen annähen war dann wiederum keine Schwierigkeit, und auch für die Lederdreiecke zur Verstärkung der Ösen am Kragen und der Tascheneingriffe ist mir etwas eingefallen – ich habe sie mir aus blauem Kunstleder aus dem Fundus zugeschnitten und mit dickem Zwirn per Hand angenäht.

Sweatjacke Nalu – Mein Fazit
Ich glaube, hier wollte das Designteam zu viel. Eine Jacke mit vielen Variationsmöglichkeiten ist grundsätzlich eine tolle Sache. Offenbar hat man aber im Laufe des Entstehens der Anleitung den Faden verloren und Flüchtigkeitsfehler gemacht.
Denn ein guter Ansatz ist erkennbar – die einzelnen Taschenlösungen sind separat und gut bebildert erklärt, auch für Kapuze und Kragen gibt es separate Abschnitte. Grundsätzlich gibt es aber die Variante Kapuze mit Paspeltaschen und Kinnschutz oder Kragen mit Känguruhtaschen – und hier fangen die Schwierigkeiten an. Sobald man seine Nalu anders kombiniert, verläuft man sich in den vielen Seiten der Anleitung und scrollt sich schier zu Tode. Hinweise auf die Seitenzahlen für die anderen Variationsmöglichkeiten wären durchaus hilfreich. Auch die Maßtabelle erwarte ich am Anfang der Anletung, und nicht irgendwo zwischen E-Book und Schnitteilen inmitten von zig Seiten.
Wie es scheint, waren vielleicht zwei separate Schnitte geplant, die dann zusammengelegt wurden, wobei das Durcheinander entstanden ist. Aber egal – ich als Käufer des Schnittes erwarte für den Originalpreis mehr, und ein entspanntes Näherlebnis sieht anders aus.
Und hier kommt gleich mein nächster und letzter Kritikpunkt: Schon kurz nach dem Erscheinen des Schnitts wurde der Preis drastisch gesenkt – von 9.99 EUR auf 2.50 EUR. Natürlich komme ich mir jetzt veralbert vor, und frage mich, warum ein Designer das tut. Viel übrig bleibt da nicht, und die Arbeit, die in so einem Schnitt und allen Korrekturen steckt, wird damit keinesfalls gedeckt.
… und meine Nalu?
Es gibt ja diesen Spruch „… und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“
Der trifft hier genau zu. Denn nachdem ich mich durch das ganze Unbill durchgekämpft hatte, ist eine hübsche Sweatjacke entstanden. Der Sweat ist innen angerauht und damit warm und kuschelig, aber nicht zu schwer. Die Taschen sind schön groß und bequem (auf dem Foto weiter oben gut zu sehen), die Ärmel musste ich diesmal nicht kürzen, und den großen Kragen finde ich ganz praktisch, da er sich wirklich bis zur Nase schließen lässt und bestimmt schön wärmt.

Mit dem Endprodukt bin ich schließlich doch zufrieden. Jedenfalls bin ich am Strand gut zu sehen 🙂
Einzig für die sich aufdröselnden Kordelenden der 8mm-Kordel habe ich noch keine schlaue Lösung gefunden – vielleicht habt ihr eine?
Verlinkt zum MeMadeMittwoch.
Viele witzige Details hast Du da verarbeitet – so richtig schön maritim. Und passt voll zu Dir! LG Anke
Ich glaube ich hätte zwischendurch aufgegeben, aber das Endergebnis sieht wirklich toll aus.
Für die Kordelenden habe ich auf dem Stoffmarkt mal Schrumpfschlauch gesehen. Der wird drüber gestülpt, erhitzt und zieht sich dann zusammen und hält alles beieinander.
Eine tolle Jacke in rot!! Ich bewundere, dass du so eine Anleitung durchgehalten hast!!
Wegen der Kordelenden. Ich habe mal etwas über einschrumpfende Plastikenden gelesen. Weiß aber leider nicht mehr wo!
LG Monika
Hach, das ist mal wieder genau deins. Ich meine, die Jacke passt zu dir und dein Geschriebenes auch. Ich habe dich beim Lesen regelrecht gehört. Hi, hi. Ich bewundere dich für dein Durchhalten und auch deine Kritikfähigkeit, denn du hast richtig gut beschrieben was dir gefällt und was eher nicht. Da kann ich nur hoffen, dass der oder die Designer das lesen. Denn, wie sagt der beste aller Männer? Lesen kann bilden. Äh, ja. Viel Spaß mit deiner neuen Jacke und liebe Grüße Elisabeth
Hallo ich habe ein großes Problem. Vielleicht kannst du mir helfen. Ich Wurste hier schon das ganze Internet durch. Ich habe das Schnittmuster von der Jacke. Aber leider keine Anleitung. Ich habe schon ein paar Jacken genäht, aber ohne Anleitung traue ich mich nicht dran. Weißt du vielleicht wo ich es kostenlos bekomme?
LG Anke
vielen Dank für Deinen Kommentar auf meinem Blog.
Das Schnittmuster für Nalu ist ein E-Book, bei dem die Anleitung mit dabei ist. Wie kommst du denn an das Schnittmuster, wenn die Anleitung / das E-Book nicht dabei ist?
Kostenlos gibt es die Anleitung nicht (denn sie ist ja Bestandteil des E-Books).
Mein Tipp: Am besten da nachfragen, wo Du das Schnittmuster herbekommen hast. Denn da ist sicher auch der Rest des E-Books.
Klasse geworden, trotz der Hindernisse!
Ich hätte mich auch total geärgert – Schnittteile in der Beschreibung vergessen ist ein No-Go, fehlende Reißverschlusslänge finde ich auch nicht gerade toll (bei der spanischen Patrones/dt. Nähtrends-Zeitschrift ist das auch so, finde ich ziemlich nervig!).
Wäre aber schön, wenn du das dem Designer mitteilen würdest – ich kapiere zwar nicht, wofür man Probenähen macht, wenn dann grobe Fehler übersehen werden, aber dann könnte der Hersteller die Fehler korrigieren und spätere Ebookkäufer müssten sich damit nicht mehr herumärgern.
Deine Jacke ist absolut toll geworden, so schöne Details, auch mit dem Mövenstoff! Und Deinen Ärger über die schlechte Anleitung kann ich gut nachvollziehen, mich nervt so was auch total. Aber ich fürchte, das ist immer dann zu erwarten, wenn so ein Schnitt eben nicht professionell hergestellt wird, sondern mehr oder weniger am Küchentisch gezeichnet wird. Ich finde, Du hast das Problem durch Deine Näherfahrung souverän gelöst, das Ergebnis kann sich jedenfalls sehen lassen!
Für die Kordelenden gibt es auch so käufliche Endstücke, die man über einen Knoten am Ende der Kordel stülpt. Das Endstück verdeckt dann den Knoten. Bei meinem Kelly-Anorak habe ich den Knoten am Ende sichtbar gelassen und das Ende sich aufdröseln lassen- stört mich auch nicht. Mein Mann wollte immer mal das Kordelende mit Sekundenkleber versiegeln, hat er aber dann natürlich doch nicht gemacht.Vom Schrumnpfschlauch habe ich gehört, habe ich aber noch nicht probiert.
Liebe Grüße, Barbara
Hui, was für eine spannende Geschichte… Spätestens beim Kinnschutz wäre ich auch fuchsig geworden… Gut dass du mich an Coban erinnerst, da wollte ich auch die ganze Zeit schon hin… kaum zu Galuben aber ich war noch nie da! Vie Spaß mit deiner tollen Maritimen Jacke, hat sich gelohnt daran zu bleiben!!! LG Sarah
Ich musste jetzt auch ganz viel hin- und herscrollen: nämlich um die ganzen Details an deiner Jacke zu bewundern. Die ist nämlich richtig toll geworden. Nur schade, daß durch die wenig durchdachte Anleitung das Näherlebnis weniger toll war. Ich hoffe, du kannst deine Jacke trotzdem genießen!
LG Marlene
Deine Jacke mit den feinen Details steht Dir ganz prima und macht einen sehr frischen und sommerlichen Eindruck. Die Mühen im Nähprozess haben sich gelohnt! Ich schätze meine amerikanischen und britischen Schnittmuster mit den ausführlichen Anleitungen …. es ist natürlich prima, dass es so viele Kanäle gibt, sich Schnittmuster und Anleitungen zu besorgen, dass sich für jede Nähneigung etwas findet. LG Kuestensocke
Wie gut dass du doch nicht zu Tode gekommen bist beim hin und her scrollen, die Mühe hat sich gelohnt. Deine Jacke sieht wunderbar aus und passt natürlich sehr gut zu dir. Wie zu sehen, hält sie auch stürmische Zeiten aus.
LG, Heike
O la la, was für ein steiniger Weg, den du gehen musstest! Wie gut, dass du dich durchgebissen hast, denn das Ergebnis ist wirklich toll geworden. Und by the way: Du gehörst wirklich ans Meer, das denke ich bei dir so oft! Coban ist schon ein genialer Laden. Bis hoffentlich bald wieder zum gemeinsamen Nähen in HH – dann aber mit einem weniger konfusen Nähprojekt und mit Stromkabel, ok?
Lg Christiane
Haha, da bin ich ja beruhig, du beschreibst absolut mein Näherlebnis mit Nalu 😀 Wegen dem Reißverschluss hab ich mir sogar extra nen Obertransportfuß besorgt…geholfen hat dann aber tatsächlich erst die Vlieseline… -.- die Anleitung zum Kinnschutz fand ich auch unzureichend – und das Teil außerdem auch noch zu kurz. Ich war zwischenzeitlich so frustriert, dass die Jacke ganz knapp vom Stapel der niemals beendet werdender Nähprojekte war. Zum Glück war der Stoff toll! Mit dem Ergebnis bin ich jetzt aber doch zufrieden 🙂
Da bin ich aber fast schon froh, dass ich mit meinem Nähdrama nicht allein geblieben bin. Wie schade, dass das Nähen mancher Anleitungen so frustrierend ist. Nalu ist schließlich offenbar ausführlich Probe genäht worden, wenn man den zahlreichen Designbeispielen glaubt.
Vielleicht sind die Schwächen in der Anleitung der Grund, weswegen sie so derb im Preis reduziert worden ist.
Dennoch viel Freude an deiner Version!