Vier Geschichten von der H+H Köln

Vier Geschichten von der H+H Köln

1. April 2019 4 Von FrauSonnenburg

Am vergangenen Wochenende traf sich ein Großteil der Bloggerszene auf der H+H in Köln. Im letzten Jahr habe ich erstmals das Spektakel rund um alle Trends aus der Handarbeitsszene mit erlebt – klar, dass ich dieses Jahr unbedingt wieder dabei sein wollte!

Am Freitag und Samstag stromerte ich also durch die Hallen und traf eine Menge alte Bekannte, online-Bekannte (insbesondere die beiden Damen uom Frickelcast meine Teststricker-Crew Grits Strickerei, Tiggy06 und CurvyKnitter!) und drei ganz besonders interessante Frauen, von denen ich euch zuerst und ganz besonders erzählen möchte.

Martina Umemura bei Opal

Am Opal-Stand bin ich vorbeigegangen, da ich im letzten Jahr eine Schafpatenschaft geschenkt bekommen habe. Mit diesem Projekt unterstützt Opal die Wanderschäferei, und aus der Wolle der Schafe wird die Opal Schafpatenwolle hergestellt.

Wie im letzten Jahr gab es wieder stündliche Workshops am Stand, bei denen man die Sockenwolle probestricken und dabei eine neue Technik lernenn konnte: Das „Linealstricken“. Federführend hierbei ist Martina Umemura, die im letzten Jahr das Reliefstricken vorstellte.

Diese Technik, die ganz einfach einen sehenswerten Effekt erschafft, ist an sich schon schön genug. Aber Frau Umemura hat auch sehr Interessantes zu erzählen:

Das Sonnenstrick-Hilfsprojekt

Martina Umemura ist eine schwäbische Ärztin und Forscherin, die schon jahrelang in Japan lebt. Nach dem verheerenden Erdbeben 2011 in Japan und dem daraus folgenden Tsunami und der Reaktorhavarie von Fukushima gründete Frau Umemura in der Präfektur Kensennuma 2012 die Kesennuma FS Atelier Co., Ltd. Hiermit wollte sie den Menschen, insbesondere den Frauen, die durch die Naturkatastrophe ihre Lebensgrundlage verloren haben, zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit verhelfen. Wie? Durch Stricken! Von Haramakis. Das sind Schläuche, die man zum Beispiel als Mütze, Kapuze, Hüftschmeichler oder Loop tragen kann. Ab Mai 2012 stricken japanische Mütter diese Accessoires und verkaufen sie japanweit per Internet. Für das Projekt wurde Frau Umemura 2016 mit dem Positive Planets Award ausgezeichnet. Hier gibt es einen interessanten Artikel zum Weiterlesen.

Opal unterstützt das Projekt durch die Bereitstellung der Garne, und inzwischen sind aus dem Hilfsprojekt auch mehrere Bücher hervorgegangen, und die Techniken des Reliefstrickens und nun des Linealstrickens wurden entwickelt.

Ja, und das Linealstricken hat mich echt begeistert! Denn es zaubert kinderleicht tolle Effekte nicht nur auf Socken, sondern in alle möglichen STrickstücke. Wer mich kennt, ahnt, dass es seitdem arbeitet in meinem Kopf *lach*

Pascale Goldenberg und das Gudusi-Projekt

Am Stand von Madeira-Garnen bin ich stehen geblieben, weil ich die Patchworkarbeiten dort wirklich spektakulär fand. Alle zeigten mindestens eine Kuh im Motiv, die erkennbar gestickt und dann in den Quilt appliziert worden war.

Am Stand gab es dazu jede Menge kleine Stickereien zu kaufen. Das machte mich neugierig! Und so kam ich mit Pascale Goldenberg von der deutsch-afghanischen Initiative e.V. ins Gespräch, die mir ganz warmherzig das Guldusi-Projekt beschrieb.

Das Projekt wurde 2004 gegründet. Es fördert die afghanische Tradition des Handstickens und ermöglicht so Frauen, eigenes Geld zu verdienen. Die Frauen aus der Provinz Laghmani nördlich von Kabul entwerfen und fertigen die Motive, die vielfach traditionelle Ornamente oder Szenen aus dem dörflichen Leben darstellen. Madeira sponsert das Material. Die Motive können in Europa erworben werden und sind dafür gedacht, in Werkstücke integriert zu werden – so wie z. B. bei den gezeigten Kuh-Quilts. Die Stickerin erhält etwa die Hälfte des Verkaufspreises (bei 7 – 9 EUR pro Motiv ist das in Afghanistan gutes Geld). 200 Frauen aus dem Projekt fertigen im Jahr etwa 4000 Stickereien, so dass sich das Projekt inzwischen selbst trägt.
Hier geht es zur Homepage des Projektes – es ist unfassbar, was sich in den Jahren getan hat, und dennoch ist in der Region immer noch Krieg und Elend. Besonders empfehle ich die Reiseberichte – schaut unbedingt vorbei!

Hier gibt es noch einen interessanten Zeitungsartikel über das Projekt. Ist es nicht unglaublich, was Handarbeiten an Gutem bewirken können?

Diese Stickerei habe ich mir als Andenken mitgebracht und werde sie, dem Beispiel von Pascale folgend, bei einem meiner nächsten Kleidungsstücke verwenden:

Karen Noe

Meine dritte Highlight-Begegnung war die mit Karen Noe am Stand von Schmeichelgarne.

Vor der Messe hatte ich netten Kontakt zu Schmeichelgarnen wegen einer Rückfrage zu einem Garn der dänischen Designerin. Aus Zufall war sie gerade am Messestand und widmete mir ein wenig Zeit. Mein nächstes Design wird aus ihrem Garn Linnea sein – zufällig das erste Garn, das sie selbst entwickelt hat.

Von Haus aus ist Karen Grafikdesignerin. Ein geschenkter Webstuhl ebnete ihr den Weg zum Design von gewebter und gestrickter Kleidung und damit verbunden zur Entwicklung eigener Garne aus erlesenen, natürlichen Materialien.

Besonders berührt im Gespräch mit Karen hat mich neben ihrer Herzlichkeit die Begeisterung, mit der die fast 80jährige über ihre Arbeit spricht. Linnea war ihr erstes Garn und ist daher immer noch eine Art Lieblingskind – allein über die Eigenschaften dieses einen Garnes gab es so viel zu erzählen! Neben der Arbeit an ihren Designs gibt Karen in Dänemark Workshops im Stricken, Weben und Färben.

Bridget Henderson: Cowgirl Blues

Ebenfalls am Stand von Schmeichelgarne traf ich ganz kurz auf Bridget Henderson, die Begründerin der Marke Cowgirl Blues. Die Garne mit ihren intensiven Farben waren mir letztes Jahr schon aufgefallen. Umso mehr freute ich mich, dass ich ein paar Worte mit Bridget wechseln konnte.

Hinter Cowgirl Blues steckt eine weitere außergewöhnliche Geschichte. Nach einer Karriere in der Wirtschaft und anschließender Rückkehr nach Südafrika begann Bridget wieder mit dem Stricken. Frustriert darüber, dass es keine Garne in der von ihr gewünschten Qualität und Farbigkeit zu kaufen gab, fing sie selbst das Spinnen und Färben an.

Heute gibt es Garne in sechs Qualitäten und vielen vielen Farben, als semi-solids und (s. Foto oben ) als wunderschöne speckled-Färbungen. Die Farbgebung ist inspiriert von den Farben Südafrikas, wie ganz eindrucksvoll auf den handgemalten Postern dargestellt wurde. Alle Farben sind auf jeder Faser erhältlich – dabei zeigt das Foto oben links, wie unterschiedlich die Garne die gleiche Färbung (hier: „Happy Days“) annehmen. Die Fasern stammen, soweit möglich, aus regionaler Produktion, Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit spielen eine große Rolle. Heute arbeiten 9 Frauen für das kleine Unternehmen – so ist auch hier aus der Liebe zur Handarbeit ein Projekt von Frauen für Frauen entstanden.

Natürlich gab es noch soooo viel mehr zu entdecken und zu bereden – aber das würde diesen Beitrag sprengen. Einige kleinere Highlights werde ich in der nächsten Zeit hier oder bei Facebook oder Instragram zeigen.

Verlinkt zu Creadienstag Yarnaroundtheworld
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