Ein Langarmshirt aus Holz

Wie bitte? Ein Shirt aus Holz? Na klar!

In diesem Post geht es wieder um Alltagskleidung: Langarmshirts zum Drunterziehen. Im letzten Winter benötigte ich ganz einfache Shirts, um sie unter meinen dicken (und manchmal etwas kratzigen) Winterpullovern zu tragen (wie z. B. unter diesem Islandpullover Deike). Ganz banale Nähprojekte, allerdings dieses Mal aus einem besonderen Stoff: Ecovero Viskosestrick.

Ein paar Gedanken zur Nachhaltigkeit

Vor ein paar Jahren gab es im Lübecker Hansemuseum eine Ausstellung „Guter Stoff“, in der Mode von der Hansezeit bis heute gezeigt wurde, inclusive der Materialien von damals und heute. Zur Hansezeit wurden Fasern von Lein, Hanf, Brennessel, Schafwolle oder auch Seide verarbeitet, dazu Leder und Pelz. Insbesondere die Gerb- und Färbeprozesse waren auch damals nicht ungefährlich und giftig. Die Materialien an sich aber waren haltbar und natürlich frei von Plastik. Da Fast Fashion zu Hansezeiten noch unbekannt war, war insgesamt der Materialbedarf für die Garderobe eines Menschens deutlich geringer als heutzutage.

In der Ausstellung gab es auch eine kleine Ecke zum Thema „Materialien der Zukunft“ – und dabei eine Fühlprobe von Ecovero Viskose als Webware. Den Stoff fand ich da schon sehr angenehm anzufassen und interessant, und wollte ihn unbedingt einmal vernähen.

Vom Holz zum Stoff

Wer schon länger näht und / oder sich mit der Zusammensetzung und den Herstellungsverfahren verschiedener Stoffqualitäten beschäftigt, der weiß: Viskose ist eine Kunstfaser auf Pflanzenbasis. Genauer, aus Zellulose. Diese kann aus Maisfasern bestehen, aus Bambus oder auch aus „ganz normalem“ Holz. Durch ein aufwändiges biochemisches Verfahren wird aus den Cellulosefasern ein Faden gesponnen, der zu Stoff verwebt oder auch verstrickt werden kann. Diese Viskosestoffe sind pflegeleicht und tragen sich sehr angenehm, und im Gegensatz zu anderen Kunstfasern schwitzt man darin auch nicht.

In Österreich gibt es das Unternehmen Lenzing, das ein besonders sparsames und ressourcenschonendes Herstellungsverfahren entwickelt hat, bei dem wesentlich weniger Wasser eingesetzt wird und 50% CO2 eingespart wird. Dieses Material heißt Ecovero, und ist als Webware, Jersey und Viskosestrick erhältlich.

Dieses Material gab es als Soft Lima Knit von Meet Milk bei Pepelinchen im Onlineshop und interessierte mich sehr. Beschrieben wird es als „mittelschwerer, butterweicher Viskose-Feinstrick“. Zwei Shirts sollten es werden, eines dunkel, eines hell. Also wanderten je 1,5m in schwarz und naturweiß in mein Warenkörbchen. (Da Pepelinchen leider ihren Shop inzwischen geschlossen hat: den Stoff gibt es z. B. hier bei Lidani).

Die Beschreibung „butterweich“ war nicht gelogen. Der Strickstoff ist wirklich sehr sehr weich, fasst sich kühl und glatt an und hat einen leichten Schimmer. Sehr edel!

Alltagsshirt nach Ottobre: Die Allzweckwaffe

Ottobre 5-13 Modellskizze T-Shirt

Einer meiner Lieblingsschnitte stammt aus dem Ottobre Heft Nr. 5 aus 2013: Ein weiter Rundhalsausschnitt, leicht tailliert, Dreiviertelärmel, etwas länger geschnitten und mit geschwungenem Saum. Bisher schon oft genäht, als Tunika, Shirt oder Nachthemd, bunt oder unifarben, mit langem oder kurzem Ärmel – ich mag den Schnitt einfach. Nun also der Auftritt als Unterziehshirt.

Langarmshirt in naturweiß

Zugeschnitten wurden beide Shirts in einem Rutsch, genäht habe ich zuerst das naturweiße. Abgesehen davon, dass ich die Ärmel verlängert habe, ohne weitere Änderungen.

Erwartungsgemäß trägt sich das Shirt sehr angenehm. Ich mag die glatte, kühle Oberfläche des Stricks. Meine kleine Befüruchtung, dass die Viskose nicht wärme, hat sich auch nicht erfüllt. Sobald der Körper die Wärme angeglichen hat, merkt man fast nicht, dass man das Shirt überhaupt trägt.

Ein Shirt aus Holz - Langarmshirt aus Ecovero - naturweißes Shirt auf Schneiderpuppe

Auf dem Tragefoto sieht man den weiten Halsausschnitt des Schnitts ganz gut: Das zeichnet für mich ein ideales „Drunter-Shirt“ aus, denn es blitzt nicht am Halsausschnitt hervor. Die Länge des Originalschnitts ist eigentlich ganz hübsch, insbesondere durch die geschwungene Saumlinie. Im Normalfall stopfe ich so ein Shirt allerdings in den Bund, so dass dieses Detail eher ein kosmetisches ist. Jedenfalls fällt das Shirt durch die beschriebene schwere Qualität sehr schön.

Ecovero Shirt in naturweiß - Langarmshirt - Ottobre 05/13  - ein Shirt aus Holz

Was man auf den Fotos allerdings auch erkennen kann ist, dass der Strick nach dem Waschen enorm knittert und sich auch mit Bügeleisen kaum bändigen lässt. Silbrige Knitterfältchen zieren mein naturfarbenes Shirt. Das würde mich sehr ärgern, hätte ich aus dem Stoff ein „Drüber-Shirt“ oder gar ein Kleid genäht.

Langarmshirt in schwarz: Patternhack

Beim schwarzen Shirt habe ich ein bisschen getrickst:

Sowohl an den Ärmeln als auch am Saum habe ich „faule Bündchen“ genäht. Sprich: den Saum umgeschlagen und von links mit der Overlock genäht. Daraus ergibt sich der Eindruck, dass ein Bündchen angenäht worden ist.

Schwarzes Shirt aus Viskosestrick - faule Bündchen

Auf dem Foto oben sieht man den edlen Glanz und die Struktur des Strickstoffs sehr schön – aber leider auch die doofen Knitterfalten. Beim schwarzen Strick sind sie nicht ganz so auffällig, aber schon recht ärgerlich. Vermutlich ist das aber auch eine Eigenheit, die das Material mit sich bringt.

Ein Shirt aus Holz - schwarzes Langarmshirt aus Ecovero - Tragefoto

Im Vergleich zum naturweißen Shirt wirkt die schwarze Version durch die Bündchen etwas „Pulloveriger“. Sprich, ich finde das schware Shirt auch durchaus solo als „Obendrüber“ tragbar, wie auf dem Tragefoto zu sehen. Vielleicht liegt das auch (mit) an der Farbe.

Mein Fazit zu Ecovero

Grundsätzlich finde ich es einen wichtigen Ansatz, Dinge nachhaltig zu produzieren. Häufig ist es ja gar nicht so transparent, was wir an Material vernähen und verstricken – man hört von Sweatshops in Bangladesh und schiebt den Gedanken gleich weg, denn „wir nähen ja selbst“. Irgendwer stellt allerdings unsere Stoffe her, und darüber habe ich mir bisher ehrlich gesagt wenig Gedanken gemacht.

Deshalb finde ich den Ansatz zu Ecovero – ressoucenschonende Herstellung aus nachwachsendem Material – grundsätzlich sehr gut. Ecovero als Viskosewebware werde ich sicherlich ausprobieren, denn die Anfassqualität gefällt mir sehr: kühl, glatt, weich. Bei Kattunstoffe.de gibt es z. B. eine große Auswahl, da werde ich sicher mal stöbern.

Was mir an der Strickversion nicht gefallen hat, sind die erwähnten Waschfalten, die nicht nur knittern, sondern auch Spuren im Stoff hinterlassen. Damit sieht insbesondere das naturfarbene Shirt noch vor dem ersten Tragen alt und irgendwie verschlissen aus. Bei dem Preis für das Material finde ich das schade.

Der Strick wird auch für Kleider empfohlen. Der Fall ist schön schwer, so dass ich grundsätzlich glaube, dass Kleider aus Ecovero Strick funktionieren können. Allerdings muss der Schnitt zum Stoff passen, da er so schwer fällt. Und wie man das Geknitter bei einem Kleid in den Griff bekommt, ist noch mal eine andere Frage.

Die Tragequalität überzeugt jedoch, beide Shirts wurden und werden gern (drunter) getragen.

Weblinks von Herzen

Von der Sendung mit der Maus gibt es übrigens eine hinreißende Sachgeschichte, bei der der komplette Produktionsprozess von Ecovero gezeigt und erklärt wird, und der liebe Armin Maiwald am Ende doch nicht in einer Holzkiste gekleidet ist. Das Video gibt’s hier bei Youtube. Ergänzend für alle Maus-Fans älterer Jahrgänge empfehle ich außerdem diesen Podcast mit Armin Maiwald. Achtung, die Folge dauert über 6 h, aber jede Minute lohnt sich!

Verlinkt zu MeMadeMittwochHandmade MondayEin kleiner BlogCreativsalatLieblingsstückeDu für Dich am Donnerstag